Archivkopie - Beleg für http://www.stefan-niggemeier.de/blog/search/call+center/
Im vergangenen November ist es bei 9Live zu einem massiven Betrugsvorfall
gekommen. Nach meinen Informationen haben zwei Mitarbeiter versucht,
einen Anrufer um seinen Gewinn zu bringen, indem sie die richtigen
Antworten nachträglich manipuliert haben. 9Live hat sich von
beiden getrennt, will sich aber nicht zu dem Fall äußern.
18. November 2008, kurz nach Mitternacht. Auf 9Live läuft „Quizzo”.
Es moderiert Max Schradin, der in dieser Nacht noch aufgekratzter
und irrer wirkt als sonst. Er spielt ein Spiel, das er als „absolute
Weltpremiere” ankündigt: Erstmals sind 16 Begriffe gesucht,
die auf
„-licht” enden.
Am Anfang ist es, wie immer, leicht: „BLAULICHT”, „BLITZLICHT”, „BREMSLICHT”, „ROTLICHT” werden
erraten.
Dann erhöht 9Live die Gewinnsumme. Ein Anrufer, der einen
der verbliebenen Begriffe hinter den Abdeckungen errät, kann
zehn-, zwanzig-, dreißigtausend Euro bekommen. Schradin ermuntert
die Zuschauer, leichte Begriffe zu nennen. Als jemand „Seitenlicht” sagt,
erwidert er:
„Denken Sie sich mal bitte keine Begriffe aus. Seitenlicht.
Was ist denn ein Seitenlicht, Leute? Klassische Begriffe! (…)
Leute, denken Sie sich hier ja nichts aus. Sie kennen die Begriffe,
die hier auch abgeklebt sind!”
Das ist natürlich nicht wahr. Die Begriffe, die 9Live später
auflöst, lauten:
STACHELICHT, BÜCHSENLICHT, AUERLICHT, NACHSCHUSSPFLICHT, AUSGLEICHUNGSPFLICHT, SCHWINDLICHT, WIDERSTANDSPFLICHT, CHRONISTENPFLICHT, REPRÄSENTATIONSPFLICHT, ANDIENUNGSPFLICHT, LABORLICHT, NACHTHIMMELLICHT.
(Alle Linkversuche von mir.)
Erstaunlich, dass kein einziger davon erraten wird.
Mit der Irreführung der Zuschauer und vermutlich auch der
Auswahl der Begriffe verstößt der Sender gegen die Gewinnspielregeln
der Landesmedienanstalten, aber das ist Betrugsalltag bei 9Live.
Dabei bleibt es aber in dieser Nacht nicht.
Gegen 0.30 Uhr kommt ein Anrufer namens Nils durch. Er sagt „STEARINLICHT”.
Er hat eine der hohen „Gewinnleitungen” getroffen,
die zu dieser Zeit sogar doppelt zählen, hinzu kommt noch
der Inhalt einer „Wanne” mit Geldscheinen — insgesamt
vermutlich über 20.000 Euro. Max Schradin bietet ihm bis zu
4000 Euro, wenn er auf seinen Begriff verzichtet. Nils lehnt ab
und geht auf Risiko, doch der Begriff wird als falsch gegeben.
Ob er zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht auf der Tafel steht,
wird für die Zuschauer nicht nachzuvollziehen sein. Denn eine
Stunde später reißt Max Schradin den Bogen mit den noch
abgeklebten Lösungen von der Wand und schiebt ihn mit dem
Fuß aus dem Bild. Erst kurz vor zwei Uhr morgens später
ist er wieder zu sehen: als Schradin auf dem Boden auf ihm herumrutscht,
um die Lösungen aufzudecken.
Doch der Bogen soll in der Zwischenzeit manipuliert
worden sein. Der Producer der Sendung und der Executive Producer
der 9Live-Abendformate, die in dieser Nacht Dienst hatten, sollen
nach Angaben eines Insiders die halbe Stunde, in der er nicht zu
sehen war, dazu genutzt haben, den Begriff „STEARINLICHT” auf
dem Papierbogen gegen einen anderen auszutauschen. Der Anrufer
Nils sei von ihnen um seinen hohen Gewinn geprellt worden.
Im Nachhinein sollen Mitarbeiter den Betrug der Geschäftsleitung
gemeldet haben. Nachdem der Justiziar des Senders, Michael Müller,
die Sache recherchiert habe, sei den beiden Producern gekündigt
worden; Moderator Schradin soll eine Abmahnung bekommen haben.
· · ·
Vor zwei Wochen veröffentlichte 9Live-Geschäftsführer
Ralf Bartoleit auf der Homepage seines Senders einen Brief „In
eigener Sache” an die „Zuschauerinnen und Zuschauer”.
Neben dem üblichen Unsinn (”Wie Sie wissen, stand und
steht 9Live für Fairness, Transparenz und Chancengleichheit”) schrieb
er:
[Es hat] Ende vergangenen Jahres einen Fall gegeben, bei dem
es zu einem gravierenden Fehlverhalten gekommen ist. Von den
beiden dafür verantwortlichen Mitarbeitern hat sich 9Live
unverzüglich getrennt. Wir bedauern diesen Vorfall gegenüber
unseren Zuschauern außerordentlich. Gleichwohl zeigt dies
aber, dass wir unser Versprechen Ihnen gegenüber, liebe
Zuschauerinnen und Zuschauer, ernst nehmen. Für die Zuschauer
ist durch den Vorfall kein Schaden entstanden. Er zeigt aber
auch, dass unsere internen Kontrollmechanismen funktionieren.
Die „Transparenz” von 9Live geht nicht soweit, den
Zuschauern mitzuteilen, worin das „gravierende Fehlverhalten” genau
bestand. Auf meine Anfrage, ob es sich dabei um den oben beschriebenen
Vorfall handelt, ob man mir erklären könne, warum sich
der Moderator offenbar so bereitwillig an der Manipulation beteiligte,
ob Max Schradin die richtigen Antworten wusste, ob 9Live auch gegen
ihn Schritte eingeleitet hat und ob dem Anrufer der volle Betrag,
den er gewonnen hätte, ausgezahlt wurde, erklärte der
Sender nur, keine Stellungnahme abgeben zu wollen.
· · ·
Ich weiß nicht, ob es sich bei dem Betrugsfall um einen
außerordentlichen Einzelfall handelte oder ob das Außerordentliche
nur war, dass das Handeln des Producers intern auffiel und von
der Studiocrew nicht gedeckt wurde. Eine Motivation für das
Handeln des Producers könnte sein, dass er budgetverantwortlich
ist, das heißt, es muss mit einem vorgegebenen Budget eine
bestimmte Zahl an Anrufen generieren. Gerät seine Kalkulation
dadurch aus den Fugen, dass ein Zuschauer einen teuren, eigentlich
unmöglich zu erratenden Begriff errät, hat er ein Problem.
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Archivkopie, Beleg für http://www.stefan-niggemeier.de/blog/call-tv-mimeusen/
Wie nennt man den Beruf, den Daniela
Aschenbach und andere abends in der Anrufsendung „Quiz-Zone” auf
dem Kindersender Nick ausüben? Sie selbst nennen sich Moderatorinnen,
aber das ist angesichts stundenlanger Monologe, mit denen die
Zuschauer teils aggressiv zum Anrufen animiert werden, ein bisschen
abwegig. „Betrüger” kann man auch nicht sagen,
denn die Art, wie sie systematisch die Zuschauer über Gewinnhöhe,
Gewinnchancen und Ablauf des Spiels in die Irre führen,
würde man zwar landläufig Betrug nennen, juristisch
womöglich auch — aber man müsste es ihnen natürlich
erst beweisen.
Was also ist Daniela Aschenbach? Mitglieder des Forums call-in-tv.de hatten
eine Idee: Sie nannten sie „Animöse”.
Darüber war Frau Aschenbach nicht glücklich.
Sie schaltete einen Anwalt ein, der für den „Quiz-Zone”-Produzenten
Callactive bereits in einer anderen Sache gegen call-in-tv.de und
seinen Betreiber Marc Doehler vorgegangen war. Er mahnte Doehler
im März wegen „schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen” ab:
Frau Aschenbach sei durch die Beschreibung im Forum als „AVD – Animöse
vom Dienst” beleidigt und auf übelste Weise herabgewürdigt
worden.
Doehler wollte die geforderte Unterlassungserklärung allerdings
nicht abgeben. „Selbstverständlich nicht”, wie
sein Anwalt schrieb. Er hatte offensichtlich größeres
Vergnügen beim Formulieren seiner Antwort:
Mir ist völlig unklar, welcher schmutzigen Phantasie die
Annahme entsprungen ist, das Wort „Animöse” setze
sich aus „Animateurin” und einer abwertenden Bezeichnung
für die weibliche Vagina (…) zusammen – ich
muss angesichts der im Namen Ihrer Mandantin ausgesprochenen
Abmahnung jedoch zu meiner Irritation annehmen, dass diese Phantasie
auf den Vorstellungen Ihrer Mandantin beruht. (…)
Sie wollen bitte zur Kenntnis nehmen, dass uns im Rahmen der
ungeliebten Rechtschreibreform so manche unerfreuliche „Eindeutschungen” begegnen,
so für die Friseurin, hergeleitet aus dem Französischen
statt Friseuse „Frisöse”. Ebenso aus Masseuse
abgeleitet „Massöse”. Weitere Beispiele wollen
Sie freundlicherweise dem „Duden” in einer aktuellen
Auflage entnehmen. Ich finde diesen Sprachverfall ebenso bedauerlich
wie Sie, vermag hieraus jedoch kein abmahnfähiges Verhalten
zu entnehmen.
Es folgte eine längere Ausführung, ob es sich bei dem
Wort „Animöse” nicht sogar um eine „intellektuell
brillante Wortschöpfung” aus „Animateurin” und „Animosität” halten
könne.
Doehler hatte, nachdem Callactive-Geschäftsführer Stefan
Mayerbacher das Wort „Animöse” moniert hatte,
im Forum von call-in-tv.de eine Wortsperre eingerichtet. Sein Anwalt
erklärte, er habe Doehler sogar dazu geraten, „diese
Wortsperre wieder zu entfernen”. Einer „instruktiven
Auseinandersetzung mit der semantischen Bedeutung des Wortes ‚Animöse’ im
Rahmen eines Urteils” sähe er gerne entgegen.
Vor drei Wochen erreichte Marc Doehler eine weitere Abmahnung.
Diesmal beklagt „Quiz-Zone”-”Moderatorin” Anneke
Dürkopp „schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen”.
Frau Dürkopp sei durch die Beschreibung im Forum als „rätselanimöse” beleidigt
und auf übelste Weise herabgewürdigt worden. Auch ihre
Kollegin Miriam
Wimmer vom Schwesterprogramm „Money
Express” wehrt sich dagegen, dass ihre Tätigkeit
in den Protokollen auf call-in-tv.de „Animöse” genannt
wurde.
Inzwischen haben Dürkopp und Aschenbach beim
Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen Doehler
erwirkt
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