In eigener Sache
CharityWatch.de stellt Arbeit ein
 |
„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht
kämpft, hat schon verloren.“ Bertholt Brecht,
1898 bis 1956
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
seit 2008 kämpfe ich mit CharityWatch.de für mehr Transparenz im Spendenbereich.
Ein aussichtsloser Kampf, wie sich inzwischen herausgestellt hat, wenngleich
ich die vielfach positive Resonanz und die Sensibilisierung der Spender und Medien
für dieses Thema nicht schmälern möchte. |
Das erklärte Ziel von CharityWatch.de
bestand in einer Verbesserung der deutschen Spendenkultur.
Zweifelhafte Organisationen sollten entlarvt werden, damit
mehr Spendengeld bei den seriösen Vereinen ankommt – und
damit bei den tatsächlich Hilfsbedürftigen. Doch
ein solches Unterfangen ist durch eine einzelne Person
nicht zu leisten. Eine Erkenntnis, der ich mich nach nunmehr
vier Jahren stellen muss. Ganz abgesehen von der psychischen
Belastung, hervorgerufen durch unzählige Drohungen,
nicht nur mich und die Mitarbeiter oder Sympathisanten
von CharityWatch.de betreffend, sondern auch konkret gegen
meine Familie und meine fünf Kinder. Außerdem
stoße ich an finanzielle Grenzen in der juristischen
Gegenwehr gegen zahlreiche Prozesse, die von Vereinen oft
genug mit Spendengeldern finanziert wurden. Vielleicht
findet sich ein anderer Weg, das erklärte Ziel weiter
zu verfolgen. Falls nicht, bleibt wenigstens das bisher
bei CharityWatch.de und im Buch „Die Spendenmafia“ Veröffentlichte
erhalten. Wenn nur ein Teil der weit über 100 Millionen
Euro, die allein die auf der Warnliste stehenden Organisationen
jährlich einsammeln, zu seriösen Vereinen umgelenkt
werden konnte, hat CharityWatch.de mehr Hilfe geleistet,
als alle seine Mitarbeiter zusammen in ihrem Leben jemals
hätten spenden können.
Verleumdungen. Erschütternd waren
die per E-Mail breit gestreuten Verleumdungen, die auf
eine Schädigung meines Rufes, eine Zerstörung
meines Leumundes abzielten. Es ist nicht anzunehmen, dass
solch perverse Fantasien, wie sie der Autor oder die Autorin
in einem speziellen Fall niederschrieben, außerhalb
eines gewissen Genres irgendwo zu lesen sind. Anonym verbreitet
wurden zudem Behauptungen über angebliche Korruption
und Erpressung. Strafanzeigen gegen Unbekannt stellte die
Staatsanwaltschaft jedoch letztendlich erfolglos ein. Bei
zwei Strafanzeigen von mir gegen bestimmte verleumderisch
arbeitende Personen hat die Staatsanwaltschaft allerdings
eine Anklageschrift formuliert. Darin heißt es: „Aufgrund
eines gemeinsamen Tatentschlusses im bewussten und gewollten
Zusammenwirken miteinander schrieben die Angeschuldigten
von dem Internetanschluss ihrer Wohnanschrift […]
dass der Geschädigte mit einer Domina pädophile
sexuelle Fantasien auslebt und auch plant ein Kind zu vergewaltigen.
Die Angeschuldigten äußerten bewusst diese unwahren
Tatsachen, um den Geschädigten in der öffentlichen
Meinung herabzuwürdigen.“ Dass dieser Vorwurf
zumindest für einen der beiden Beschuldigten wohl
eher eine Bagatelle ist, zeigt eine weitere Ausführung
der Staatsanwaltschaft: „Für den Angeschuldigten
enthält das Bundeszentralregister 21 Einträge.
Zuletzt wurde er durch das Amtsgericht […] wegen
vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe in Tateinheit
mit vorsätzlichem Führen einer verbotenen Waffe
zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt.“ Das
zuständige Gericht hat das von mir angestrengte Verfahren
angesichts der anderen rechtskräftigen Verurteilung
allerdings eingestellt. Das Verfahren gegen die zweite
Person wurde wegen eines fehlenden öffentlichen
Interesses eingestellt, obwohl der Richter die Angeklagte
als „hinreichend verdächtig“ ansah.
Klagen. Viele unseriöse Organisationen
zielten – rechtlich weniger angreifbar – darauf
ab, meine Fachkenntnis unglaubwürdig zu machen, mich
bei meiner Arbeit zu behindern und mir finanziell zu schaden.
Es heißt, der Präsident eines Vereins mit Millionenvermögen
brüllte in einer Sitzung: „Den machen wir fertig!
Koste es, was es wolle!“ Andere beschäftigten
Leute, die mit fingierten Namen über das Internet
massive Verleumdungen verbreiteten. Kaum hatte ich die
Löschung einer dieser unwahren Aussagen erreicht,
tauchten drei neue Lügen auf. Am meisten schmerzten
und schmerzen mich jene Organisationen, die mit Spendengeld
teure Anwälte engagieren. Rund 50 Unterlassungsbegehren,
Gegendarstellungswünsche und andere durch Rechtsanwälte
vorgetragene Fälle mussten allein 2011 von mir bearbeitet
werden. Fast alle waren völlig unsinnig, produzierten
aber einen enormen Aufwand. So ist es in Deutschland Jedem
möglich, eine strafbewährte Unterlassungserklärung
zu fordern. Wird sie zu Recht gewünscht, trägt
alle Anwaltskosten derjenige, der das zu Unterlassende
geschrieben oder auch veröffentlicht hat. Wird die
Unterlassungserklärung zu Unrecht gefordert, bleibt
der unnötig Angemahnte auf seinen Kosten sitzen. Hinzu
kommt die Unsicherheit im Presserecht, die deutschen Gerichten
einen großen Spielraum bei der Beurteilung lässt.
Zum Beispiel ist das Landgericht Hamburg dafür bekannt,
das Persönlichkeitsrecht sehr weit zu Lasten der Meinungsfreiheit
auszulegen. Im Kampf Goliath gegen Goliath mag dies kein
größeres Problem darstellen. David jedoch wird
irgendwann die Kraft ausgehen. Denn in einem solchen System
hat der finanziell Schwächere auf Dauer keine Chance.
Anekdoten. 2011 stellte sich vor Gericht
die Frage, unter welchen Umständen ein Hund als gelähmt
anzusehen ist. Letztendlich wurde die Aussage eines Artikels
für falsch befunden, die Hunde ohne Beine als gelähmt
subsumierte, weil sie ja nur nicht mehr laufen können.
Jetzt sind die Hunde eben gehandicapt und nicht gelähmt.
Soweit so gut. Die übrigen neun ebenfalls geforderten
Unterlassungspunkte hat das Gericht jedoch zurück
gewiesen. Was die Sache besonders prekär macht: Der
Verein will in Berufung gehen und vor dem Oberlandesgericht
weiter streiten. Mit neuem Anwalt. Vertreten wird die Organisation
nun von einem Rechtsanwalt, der schon einmal einen millionenschweren
Verein gegen mich zu Felde führte.
Ein weiteres Beispiel aus der Rubrik „sinnlose Beschäftigungstherapie“:
Heimlich, still und leise ließ sich eine Fundraisingfirma
europaweit CharityWatch als Marke eintragen. Den Namen
meines Onlinedienstes. Da das europäische Patentamt
zwar hohe Gebühren für eine Markeneintragung
kassiert, aber nicht einmal eine einfache Internetsuche
durchführt, wurde die Eintragung ins „Register
für Gemeinschaftsmarken“ durchgeführt.
Ich musste somit die böswillig erworbene Marke zurück
erstreiten. Auf den Kosten blieb ich sitzen.
Finanzen. All diese unsinnigen Streitereien
haben mehr als die Hälfte meiner Arbeitszeit gebunden.
Viele Recherchen konnten dadurch nicht durchgeführt
werden. Neben der Arbeitskraft kosteten die Rechtstreitigkeiten
natürlich Geld, auch wenn der Bayerische Journalistenverband,
dessen Mitglied ich seit über 15 Jahren bin, mich
nicht nur außergerichtlich unentgeltlich vertreten
hat, sondern in vielen Fällen sogar kompletten Rechtsschutz
gewährte. In Summe ergab sich aus der Arbeit für
CharityWatch.de in 2011 trotzdem ein Minus von 87.000 Euro.
Dieses errechnet sich aus Einnahmen in Höhe von 2.000
Euro und Ausgaben von 89.000 Euro – selbstverständlich
ohne einen einzigen Euro Gehalt für mich einzurechnen.
Seit Gründung von CharityWatch.de im Jahre 2008 ergibt
sich für mich eine vierjährige unentgeltliche
Arbeitsleistung und gut eine Viertel Million Euro Defizit.
Fehlende Unterstützung. Ein weiterer
Grund für die Einstellung der Arbeit von CharityWatch.de
besteht darin, dass selbst viele seriöse Hilfswerke
kein Interesse daran zeigen, unsere Arbeit zu unterstützen,
um ernsthaft mehr Transparenz in die deutsche Spendenlandschaft
zu bringen. Offenbar sind die immer wieder vorgetragenen
Transparenzbekundungen vielfach nur Lippenbekenntnisse.
So stellte das Bayerische Rote Kreuz trotz monatelangem
Hin und Her bis heute keine aussagekräftigen Unterlagen über
die Mittelverwendung zur Verfügung. Andere Organisationen
geben zwar rudimentäre Auskünfte, mauern aber
sofort bei konkreten Nachfragen. Auch der Deutsche Fundraisingverband
liefert ein typisches Beispiel für vorgespielte Transparenzbemühungen.
In seinen Spendentipps schreibt der Verband: „Seriöse
Hilfswerke informieren regelmäßig über
ihre Arbeit und machen die Verwendung ihrer Spendengelder
transparent.“ Trotzdem werden von Verbandsmitgliedern
jede Menge Organisationen vertreten, die sich einer Nachprüfbarkeit
der Mittelverwendung versperren und damit nach den Spendentipps
des Verbandes nicht seriös sind.
Danke. Warum es vier Jahre brauchte,
zu erkennen, dass die deutsche Spendenkultur für einen
Umbruch noch nicht reif ist? Es war der regelmäßige
Zuspruch von Spendern, Journalisten, einzelnen Prominenten,
den CharityWatch.de erhalten hat. Dafür möchte
ich mich ausdrücklich bedanken. Besonders gilt dies
für die Abonnenten, die freiwillig durch ihre Gebühr
eine finanzielle Unterstützung leisteten. Die über
den Februar hinaus schon entrichteten Gebühren werden
selbstverständlich zurück erstattet.
Ebenfalls danken möchte ich den Informanten, die die
Zivilcourage aufbrachten, Missbrauch von Spendengeldern
durch Übermittlung von Belegen aufzudecken. Zum Schluss
danke ich auch noch den Mitstreiterinnen und Mitstreitern,
ohne deren Engagement CharityWatch.de nie hätte funktionieren
können. Immerhin hatten wir allein im vergangenen
Jahr fast 150.000 Damen und Herren, die zum Teil regelmäßig
unsere Homepage besuchten.
Bitte. Wundern Sie sich nicht, wenn in
den kommenden Tagen im Umkreis diverser Hilfsorganisationen
häufiger die Champagnerkorken knallen. Der Grund dürfte
zweifelsfrei die Einstellung der Arbeit von CharityWatch.de
sein. Endlich können die Bosse unseriöser Vereine
ebenso wie skrupellose Fundraiser die Lorbeeren ihrer üblen
Machenschaften wieder ungestörter genießen.
Mit dem eigentlich für hilfsbedürftige Menschen
oder Tiere vorgesehenen Geld war es ihnen möglich,
eine weitere Transparenzbemühung im Keime zu ersticken.
Auch wenn es mich schmerzt, ihnen das Feld zu überlassen,
im Moment muss ich meine Grenzen akzeptieren. All diejenigen,
die das ebenfalls bedauerlich finden, bitte ich um Verständnis
für meine Entscheidung. Ich bin fest überzeugt,
dass Transparenz im Spendenbereich irgendwann selbstverständlich
sein wird. Noch war die Zeit dafür nicht reif. Vielleicht
reichten auch meine Möglichkeiten nicht aus, sich
gegen die Interessen der riesigen Spendenindustrie durchzusetzen.
Mit Sicherheit konnten CharityWatch.de und das Buch „Die
Spendenmafia“ aber viele Spender sensibilisieren
und es wurde eine wichtige Saat ausgestreut, die früher
oder später die unseriösen Vereine zu Fall bringen
wird.
Ihr
Stefan Loipfinger
P.S.: Karin Burger, die für CharityWatch.de zwei
Jahre lang über Tierschutzthemen berichtete, wird
weiterhin auf Ihrer Homepage www.doggennetz.de zu diesem
Thema Veröffentlichungen vornehmen. Ich wünsche
ihr dafür viel Erfolg, da sich vor allem im Tierschutzbereich
sehr viele schwarze Schafe tummeln. Dies gilt vor allem
auch für den Bereich Import von Tieren aus dem Ausland,
in dem ihre Berichterstattung bereits zu einem Umdenken
bei Behörden geführt hat. |
|