Abschrift
Landgericht Oldenburg, Geschäfts-Nr. 5 O 1793/08 Oldenburg,
21.07.2008
Beschluss
in dem Rechtsstreit
der Firma I.W. Innter.net Webservice Ltd. vertr. d.d.D. Mario
Jakelj, Expedeftirion 10, CY 4103 Limassol – Zypern
Antragstellerin
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Dagmar Schmidt,
Theresienstr. 19, 94032 Passau,
gegen
Herrn Karl-Heinz Volmer, Nelkenstr. 7, 26160 Bad Zwischenahn,
Antragsgegner
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat am 21.07.2008
durch den Richter am Landgericht Dr. Abt als Einzelrichter beschlossen:
Der Antrag der Antragstellerin vom 04.07.2008
auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.000,00 EUR
Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung war gemäss § 937
Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil der Antragstellerin die geltend
gemachten Unterlassungsansprüche nicht zustehen. Die Äusserungen
des Antragsgegners stellen Werturteile dar, die die Grenze zur
Schmähkritik nicht überschreiten.
nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes muss jede beanstandete Äusserung
in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen
ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst
einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH,
VersR 1987, 1016, 1017; VersR 1989, 1084; VersR 1994, 1120 jeweils
m.w.N.).
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist
es, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit
mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH VersR 1993,
193; VersR 1993, 364; VersR 1994, 1123 jeweils m.w.N.). Wo
Tatsachenbehauptungen und Wertungen zusammenwirken, wird grundsätzlich
der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5
Abs. 1 Satz 1 GG erfasst. Sofern eine Äusserung,
in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender
Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens
oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäusserung
in vollem Umfang vom genannten Grundrecht geschützt. Im Falle
einer derartigen engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen
und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit
nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches
Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird
(vgl. hierzu BVerfGE 85, 1.15f; BGH VersR 1994, 57, 58).
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Antragsgegner
durch die Emails an die Referenzkunden eine Meinung verbreitet.
Die Mitteilung, Strafanzeige wegen Betruges stellen zu wollen,
ist zwar eine Tatsachenbehauptung. Aber die Tatsache der Anzeigenerstattung
ist offensichtlich nicht Streitgegenstand, sondern die darin enthaltene
Auffassung, die Antragstellerin sei eine Betrügerin. Generell
ist bei solch einer Äusserung zu prüfen, ob damit ein
Verhalten (ab)qualifiziert oder ein weiterer, dem Beweis zugänglicher
Sachverhalt mitgeteilt werden soll (BGH GRUR 89, 781, 782 – Wassersuche
= VersR 89, 1048 = NJW-RR 90, 1058 = AfP 89, 669). Dabei
ist zu bedenken, dass es zu den Garantien der Meinungsfreiheit
gehört, dass der Kritiker prinzipiell auch seine strafrechtliche
Bewertung von Vorgängen als seine persönliche Rechtsauffassung
zum Ausdruck bringen kann, selbst wenn dieser objektiver Beurteilung
nicht standhält.
So verhält es sich vorliegend. Wenn der Antragsgegner sich
durch die Antragsstellerin "betrogen" fühlt, darf
er äussern, dass er eine Anzeige erstatten will. Er darf auch
erfragen, ob die Referenzkunden sich als Geschädigte ansehen.
Denn gerade dazu dient doch die Benennung von Referenzkunden. Es
soll gerade die Möglichkeit eröffnet werden, sich über
die Zufriedenheit der Referenzkunden informieren zu können.
Dass der Antragsgegner dabei seine Meinung über die Antragstellerin äussert,
muss sie – mit Ausnahme der Schmähkritik – hinnehmen,
wenn sie Referenzkunden benennt.
Der Betreff der Email ist nicht als Unterstellung bzw. Tatsachenäusserung
anzusehen, sondern muss im Zusammenhang mit dem Text der gesamten
Email gesehen werden. Daher gibt der Betreff nur den wesentlichen
Punkt der Email wieder. Dieser ist die Frage, ob seitens der Referenkunden
ein "Missbrauch Ihres Firmennamens" vorliegt. Eine Tatsachenbehauptung
liegt darin nicht.
Auch Äusserungen in der Email an CORE und die Äusserungen
im Internetforum sind nach obigen Grundsätzen nicht als Tatsachenbehauptungen,
sondern lediglich Werturteile anzusehen.
Als Meinungsäusserung steht der Vorwurf des
Antragsgegners unter dem Schutz des Artikels 5 GG. Für
Meinungsäusserungen gilt die Freiheit der Rede und
der Kritik als oberstes Prinzip (Erman/Ehrmann, BGB, 7.
A., Anhang zu § 12 RN. 144). Sie ist grundsätzlich
weit zu verstehen und unterliegt einer Gesamtabwägung
zwischen der Schwere des Eingriffs und der Grenze der Zumutbarkeit
(Erman/Ehrmann, BGB, 7. A., Anhang zu § 12
RN. 158 f.). Für sie gilt der Schutz des Grundgesetzes,
ohne dass es darauf ankommt, ob die Äusserung begründet
oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll
oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt
wird; sie darf scharf oder verletzend formuliert sein (BVerfGE
90, 241 = NJW 94, 1779); sie darf bis zur Grenze der Schmähkritik
gehen.
Die Grenze der Schmähkritik wird hier nicht
erreicht. Eine überzogene und selbst eine ausfällige
Kritik macht für sich genommen die betreffende Äusserung
noch nicht zur Schmähung. Sie nimmt diesen Charakter
erst dann an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung
in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund
steht; sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter
Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen (BVerfG
NJW 91, 1475, 1477; MDR 91, 125 = JZ 90, 1072 = AfP 90,
192). Wenn sie einen genügenden Sachbezug
aufweist, ist eine herabsetzende
Äusserung nicht als Schmähkritik einzustufen (BVerfG,
aaO; OLG Köln, AfP 83, 404). Ein Sachbezug hinsichtlich
der beanstandeten Äusserungen liegt vor. Das ergibt sich
aus dem gleichzeitig mitgeteilten Hintergrund. Es geht also um
eine sachliche und nicht um eine persönliche Basis. Es liegt
daher durch die an die Referenzkunden gesandten Emails keine
Rechtsgutverletzung vor. Gleiches gilt für die Äusserungen
im Internetforum.
Dass es sich bei den Äusserungen des Antragsgegners um Wettbewerbsbehandlungen
i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG handeln soll, ist weder
dargetan noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheiung beruht auf § 91 ZPO.
Dr. Abt |