Großbritannien
führt totale E-Mail-Überwachung
ein
Ausgehend von einer entsprechenden Direktive der EU-Kommission
werden ab 15. März 2009 alle Internet Service Provider
(ISPs) in Großbritannien per Gesetz dazu verpflichtet,
Informationen über den gesamten E-Mail-Verkehr der Bevölkerung
für die Dauer eines Jahres zu speichern und gegebenenfalls
den Behörden für ihre Ermittlungstätigkeit
zur Verfügung zu stellen.
Um den ISPs bei der Durchführung dieser Aufgabe unter die Arme zu greifen
und einen reibungslosen Ablauf der Datenprotokollierung zu gewährleisten,
will die britische Regierung nun den betroffenen Unternehmen im Rahmen des sogenannten
Interception Modernisation Programmes eine finanzielle Unterstützung
von mehr als 25 Mio. Pfund (27,8 Mio. Euro) zukommen lassen.
Während die neuen Regelungen laut Regierung vor allem der "inneren Sicherheit" im
Land zugute kommen sollen, haben die aktuellen Pläne in den Reihen von Datenschutzexperten
heftige Proteste ausgelöst.
"Der Begriff 'innere Sicherheit' ist äußerst vielschichtig und darf
auf keinen Fall als Argument eingesetzt werden, um wichtige Grundrechte der Bürger
fallen zu lassen", stellt Marit Hansen, stellvertretende Leitern des Unabhängigen
Landeszentrums für Datenschutz (ULD)
fest.
Die Einführung einer pauschalen E-Mail-Überwachung
sei in dieser Hinsicht sicherlich der falsche Weg.
"Eine
Datensammlung dieser Größenordnung, die den gesamten
E-Mail-Verkehr der Bevölkerung beinhaltet, stellt nichtzuletzt
auch eine zusätzlich
generierte Gefahr für die innere Sicherheit eines Landes
dar",
betont Hansen.
Die Argumentation der britischen Regierung kann die Datenschützerin daher
nicht wirklich nachvollziehen. "Abgesehen davon, dass ich vom Grundsystem eines
derartigen Überwachungsansatzes nicht überzeugt bin, drängt sich
mir auch der Eindruck auf, dass die neuen Regelungen von den Verantwortlichen
in Großbritannien nicht konsequent durchdacht worden sind",
meint Hansen.
"Die von der Regierung in Aussicht gestellten Gelder könnten weitaus sinnvoller
verwendet werden", kritisiert Richard Clayton, Forscher im
Bereich Computersicherheit an der University of Cambridge gegenüber
der BBC.
Es sei vollkommen unnötig, jede einzelne E-Mail, die jemand über seinen
ISP erhält oder abschickt, mitzuprotokollieren. Auch der Auffassung der
deutschen Datenschützerin zufolge, ließen sich die Regierungsgelder
sicherlich zweckdienlicher einsetzen. Diese könnten etwa in die Entwicklung
eines besseren Datenschutzmanagementsystems investiert werden. "Ein Großteil
der Nutzer schickt sensible Informationen immer noch in unverschlüsselten
E-Mails. Ein professionelles Datenschutzmanagementsystem hätte hier sicher
auch einen positiven Effekt auf die oft genannte innere Sicherheit", ist Hansen überzeugt.
Dass Großbritannien sich zu einem Vorreiter in Sachen Überwachung
in Europa entwickelt hat, sei mittlerweile kein Geheimnis
mehr.
"Die Überwachungsthematik wird von britischen Bürgerrechtlern zwar
bereits seit geraumer Zeit stark thematisiert. Die Diskussion um die zunehmende
Videoüberwachung hat in der Vergangenheit aber deutlich gezeigt, dass die
Bevölkerung Großbritanniens ein sehr ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis
zu haben scheint und eine wesentlich höhere Toleranz an den Tag legt, was
Eingriffe in die eigene Privatsphäre betrifft", so Hansen abschließend.
Quelle: pressetext |